Ihr Notar Mag. Josef Reitter
Ihr Notar Mag. Josef Reitter

08. Oktober 2015

EU-Erbrechtsverordnung seit 17.08.2015 in Kraft

Die Erbrechte der EU-Mitgliedstaaten sind in hohem Ausmaß von nationalen Rechtsvorstellungen und –traditionen geprägt, mit der Folge, dass Erbfälle mit Auslandsberührungen eine besondere Komplexität aufweisen. Abhilfe soll die neue EuErbVO schaffen, die ab dem 17.08.2015 unmittelbar anwendbar ist.

I. Anwendungsbereich

Die VO lässt das materielle Erbrecht der Mitgliedstaaten ebenso unberührt wie deren (materielles) Güter- und Familienrecht und die auf den Nachlass anwendbaren Steuervorschriften. All diese iZm dem Erbrecht stehenden Fragen unterliegen nach wie vor dem nationalen Recht. Allerdings kommt es nicht auf die verfahrensrechtliche Gestaltung an: Ob Erb-, Pflichtteils- oder Vermächtnisansprüche im streitigen oder außerstreitigen Verfahren verfolgt werden, ändert nichts an der Anwendung der EuErbVO. Sie hat daher in Österreich nicht nur in Bezug auf das Verlassenschaftsverfahren, sondern auch auf Pflichtteils(ergänzungs)klagen, Vermächtnisklagen usw Anwendungsvorrang (Näheres in Art 1 bis 3 EuErbVO).


II. Internationale Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Die internationale Zuständigkeit in einer grenzübergreifenden Erbsache folgt einem ausdifferenzierten System (Art 4 bis 19 EuErbVO), wobei eine Prorogation (Art 5 EuErbVO) nur bei Rechtswahl möglich, sonst aber der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt (Art 4 EuErbVO) maßgeblich ist. Eine Nachlassspaltung in unterschiedliche Territorialnachlässe kann daher iaR nicht mehr vorkommen; vielmehr unterliegt der gesamte Nachlass derselben Jurisdiktion. Ein einziges Gericht wird nämlich für die Abwicklung des Nachlasses zuständig sein, und zwar das (nach nationalem Recht sachlich zuständige) Gericht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers, es sei denn, dieses verweist die Sache an das Gericht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser hat, wenn und weil dieses Gericht die Sache besser beurteilen kann (Art 6 EuErbVO). Weiters unterliegt der gesamte Nachlass auch demselben Recht (Art 20 bis 38 EuErbVO): Auch für das anzuwendende Recht in einer grenzübergreifenden Erbsache ist primär der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers entscheidend, wenn nicht eine "offensichtlich engere Verbindung" zu einem anderen Staat besteht (Art 21 EuErbVO). Wer im Ausland wohnhaft ist, kann jedoch in Rechtswahl bestimmen, dass auf seinen gesamten Nachlass das Recht seiner Staatsangehörigkeit anwendbar ist (Art 22 EuErbVO). Dadurch verringert sich das Risiko einander widersprechender Entscheidungen in den Mitgliedstaaten.


III. Anerkennung und Vollstreckung

Entscheidungen (Art 39 bis 58 EuErbVO) sowie (gemäß ergänzenden Bestimmungen der Art 59 bis 61 EuErbVO) Urkunden und Vergleiche in einer Erbsache werden gegenseitig ex lege anerkannt. Das Prinzip des exequatur wurde allerdings beibehalten, sodass die Vollstreckung einer solchen Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat eine Vollstreckbarerklärung voraussetzt.

 

IV. Europäisches Nachlasszeugnis

Zusätzlich zu diesen "klassischen" Regeln der Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung führen Art 62 bis 73 EuErbVO auch ein europäisches Nachlasszeugnis ein, mit dessen Hilfe jede Person ohne weitere Formalitäten ihre Eigenschaft als Erbe oder Nachlassverwalter bzw Testamentsvollstrecker nachweisen kann. Die nähere Ausgestaltung durch ein Formular, allenfalls auch durch Ausführungsbestimmungen im nationalen Recht, steht noch bevor.

Die VO ist auf Erbfälle ab dem 17. 8. 2015 anzuwenden.

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